24. Februar 2015
Was ist ein Bandscheibenvorfall?
Die Bandscheibe selbst besteht aus einem straffen, faserigen Ring, der den gallertartigen, sehr wasserhaltigen Kern umgibt und stabilisiert. Die Bandscheibe wirkt dadurch wie ein Wasserkissen.
Leider ist die Bandscheibe Verschleißprozessen unterworfen, die bereits im dritten Lebensjahrzehnt beginnen. Sie führen dazu, dass die Bandscheibe Wasser verliert und der straffe Faserring kleine Risse bekommen kann, durch die sich das gallertartige Bandscheibengewebe herausdrückt. Dies ist der Bandscheibenvorfall, der auf die Nerven drücken kann. Schmerzen, Gefühlsstörungen oder sogar Lähmungen sind die Folge.
Der Bandscheibenvorfall ist eine typische Erkrankung zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr.
Zwei Voraussetzungen sollten gegeben sein:
Welche Beschwerden treten auf?
Alle Bandscheiben sind einem Alterungsprozess unterworfen. Das ist völlig normal. Die beiden unteren lumbalen Bandscheiben sind diesen abnutzungsbedingten Veränderungen besonders unterworfen. Daher sind diese beiden Bandscheiben besonders gefährdet.
Je nach Lage des Bandscheibenvorfalls drückt das Gewebe auf unterschiedliche Nervenwurzeln, die dann wiederum spezifische Beschwerden oder Ausfälle hervorrufen. Diese können zum Teil nur als Rückenschmerz auftreten oder auch eine Schmerzausstrahlung in das Bein bewirken.
Je nach Ausbreitungsgebiet des Schmerzes, des Ausfalls (Schwäche oder Lähmung) einzelner Muskeln bzw. der Gefühlsstörungen in bestimmten Hautarealen kann der Arzt bereits Rückschlüsse auf die betroffene Nervenwurzel ziehen.
In seltenen Fällen ist auch die Blasen- und Mastdarmfunktion betroffen, was eine dringliche Diagnostik und Therapie erfordert. Es handelt sich um einen Notfall, da diese Strukturen bei längerer Beeinträchtigung bleibende nicht reversible Schäden davontragen.
Wie wird der Bandscheibenvorfall diagnostiziert?
Am Anfang steht die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Der Patient schildert den Krankheitsverlauf und seine Beschwerden. Dadurch kann der Arzt bereits gute Rückschlüsse auf die Ursache ziehen.
Weiterhin werden bei der körperlichen Untersuchung Muskelfunktionen und Gefühlsstörungen getestet, welche Aufschluss über die betroffenen Nervenstrukturen geben.
Als weiterführende Diagnostik ist im Anschluss an die körperliche Untersuchung eine Kernspintomographie (MRT – Magnetresonanztomographie) sinnvoll. Mit Patienten, bei denen aus den verschiedensten Gründen keine MRT-Untersuchung möglich ist, kann auch eine Computertomographie (CT) vorgenommen werden. Durch die bildgebende Diagnostik kann der behandelnde Arzt überprüfen, ob die vorhandenen Beschwerden mit den in der MRT nachgewiesenen Veränderungen übereinstimmen.
Je nach Befund kann dann die weitere Therapie festgelegt werden. Sollten die vorhandenen Beschwerden und die Befunde aus der radiologischen Bildgebung nicht zusammenpassen, so sind gegebenenfalls weitere Untersuchungen erforderlich, oder es müssen Kollegen aus anderen Fachgebieten hinzugezogen werden.
Therapie des lumbalen Bandscheibenvorfalls
Nicht jeder festgestellte Bandscheibenvorfall muss behandelt werden. Etliche Bandscheibenvorfälle werden als Zufallsbefund diagnostiziert. Der Patient hat diesbezüglich keinerlei Beschwerden, so dass keine spezifische Therapie erforderlich ist.
Bei Bandscheibenvorfällen, die Beschwerden verursachen, kann in den meisten Fällen (80 bis 90 Prozent) eine konservative Therapie eingeleitet werden. Sie beinhaltet Krankengymnastik mit Muskel lockernden und Rumpf stabilisierenden Übungen sowie eine medikamentöse schmerzlindernde und abschwellende Therapie. Ziel ist, den Patienten wieder mobil zu machen. Eine längere Immobilität (Bettlägerigkeit) sollte zwingend vermieden werden. Der Patient muss zur aktiven Mitarbeit motiviert werden.
Als zusätzliche Möglichkeit der konservativen Therapie stehen Nerven nahe Infiltrationen (periradikuläre Infiltration) von Medikamenten zur Schmerzlinderung und Abschwellung der Spinalnerven unter radiologischer Kontrolle (CT, RÖ-Durchleuchtung) zur Verfügung.
Eine Operation ist nur dann erforderlich, wenn stärkere Lähmungen vorhanden sind, oder die konservative Therapie in einem angemessenen Zeitraum zu keiner befriedigenden Besserung der Beschwerden führt. Wenn relevante Lähmungen vorhanden sind, sollten die Nerven schnell operativ entlastet werden. Je länger eine Lähmung besteht, desto unwahrscheinlicher ist eine vollständige Erholung der betroffenen Nerven.
Operation des lumbalen Bandscheibenvorfalls
Die Operation wird über einen circa drei Zentimeter langen Hautschnitt am Rücken bei dem auf dem Bauch liegenden Patienten durchgeführt. Durch Einsatz des Operationsmikroskops kann der Bandscheibenvorfall muskelschonend, minimalinvasiv und sicher entfernt werden.
Der betroffene Nerv wird von dem einengenden vorgefallenen Bandscheibengewebe befreit. Durch die minimalinvasive Operationstechnik ist der Patient am ersten Tag nach der Operation wieder in der Lage aufzustehen und kann die Klinik in den meisten Fällen wieder nach drei Tagen verlassen.
Für den Patienten ist wichtig zu wissen, dass die vorhandenen Lähmungen oder Gefühlsstörungen noch eine gewisse Zeit anhalten können. Ebenso kann der schon länger gereizte Nerv noch Schmerzen verursachen, obwohl das auslösende, vorgefallene Bandscheibengewebe entfernt wurde.
Nachbehandlung einer lumbalen Bandscheibenoperation
Zur Entlastung des Rückens und zur Stabilisierung der Rumpfmuskulatur wird eine krankengymnastische Übungsbehandlung eingeleitet. Arbeiten, die den Rücken nicht belasten, können in der Regel nach sechs Wochen verrichtet werden. Tätigkeiten mit größerer Rückenbelastung sollten in der Regel nicht vor Ablauf von drei Monaten ausgeführt werden.
Sportarten wie Schwimmen oder Fahrradfahren sind ebenfalls nach sechs Wochen wieder möglich. Sportarten, welche den Rücken stärker belasten, sollten frühestens nach drei bis sechs Monaten begonnen werden.
Betroffene sollten Übungen, die die Rumpfmuskulatur kräftigen und stärken, ihr Leben lang selbstständig machen. Denn dadurch wird der Rücken allgemein gestärkt, so dass einem weiteren Bandscheibenvorfall entgegengewirkt werden kann.
Autor:
Dr. med. Thomas Schreyer, Chefarzt Klinik für Orthopädie, AGAPLESION ELISABETHENSTIFT