Divertikulose und Divertikulitis

25. Februar 2015

Divertikel sind säckchenförmige Aussstülpungen von Anteilen der Darmwand an präformierten Schwachstellen (Blutgefäßeintrittsstellen) nach außen. Primär haben Divertikel keinen Krankheitswert. Kommen sie gehäuft vor, sprechen wir von einer Divertikulose. Betroffen ist in erster Linie der S-Darm (Sigma).

Ursache

Die Ursache der Divertikulose wird in einem Zusammenhang zu den zivilisatorisch bedingten Veränderungen der Nahrungsaufnahme mit dem Mangel an Faser- und Ballaststoffen gesehen. In den so genannten Entwicklungsländern spielt die Divertikulose kaum eine Rolle.

In den westlichen Industrienationen jedoch ist die Divertikulose sehr häufig, nimmt mit dem Alter zu und betrifft circa 20 bis 30 Prozent der über 60-jährigen Menschen.

Welche Beschwerden treten auf?


Kommt es zu Beschwerden, sprechen wir von der Divertikelkrankheit, sind zudem Entzündungszeichen nachweisbar von einer Divertikulitis. Etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten mit Divertikulose entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Entzündung. Diese kann akutfulminant, lebensbedrohlich (akute Divertikulitis) oder immer wieder mit Schmerzen im linken Unterbauch verbunden auftreten – mit mehr oder weniger starken Entzündungszeichen (chronisch rezidivierende Divertikulitis).

Im schlimmsten Fall kann die Entzündung zur völligen Durchsetzung der Darmwand führen (Durchbruch = Perforation in circa 10 Prozent der Fälle). Kommt es zum Austritt von Darminhalt in die Bauchhöhle (freie Perforation), entsteht eine Bauchfellentzündung (Peritonitis) und somit eine absolut lebensbedrohliche Situation, die eine sofortige Notoperation erfordert. Wird die Durchbruchstelle von anderen Darmteilen (in der Regel Dünndarm), Bauchnetz (Omentum) oder retroperitonealem Fettgewebe abgedeckt, sprechen wir von gedeckter Perforation. Häufig kommt es bei diesen Patienten zur Ausbildung eines Abszesses, sodass auch bei ihnen in der Regel ein operativer Eingriff notwendig ist, der allerdings mit aufgeschobener Dringlichkeit erst 4 bis 7 Tage später nach Abklingen der Akutsymptomatik durchgeführt wird.

Weitere Komplikationen der Divertikelkrankheit sind die Blutung (schwere Blutung in 3 bis 5 Prozent der Fälle) und die Einengungen des Darmes (Stenose) bei langem Verlauf aufgrund vieler Entzündungsschübe mit Vernarbungen. Im Langzeitverlauf sind auch Fistelungen zur Harnblase mit Stuhl- und Luftbeimengung zum Urin und chronischer Blasenentzündung möglich.

Diagnose

Die Standarddiagnostik umfasst die körperliche Untersuchung (Druckschmerz im linken Unterbauch, Abwehrspannung), Temperaturmessung, Blutentnahme (CRP, Leukozyten) sowie die Sonographie. In der Notfallsituation wird zur Sicherung der Diagnose und zum Ausschluss einer Perforation eine Computertomographiemit rektaler Kontrastmittelfüllung durchgeführt. Im Unterschied zur alleinigen Kontrastmittelfüllung des Darmes beim Röntgenkontrasteinlauf können mit dem CT die Veränderungen außerhalb des Darmlumens – entzündlich tumoröse Wandverdickungen, Abszessbildungen – dargestellt werden. Die Darmspiegelung (Coloskopie) ist in der akut entzündlichen Situation nichtratsam (Schmerzen, Perforationsgefahr). Sie kann jedoch problemlos 4 bis 5 Tage nach Abklingen der Akutsymptomatik erfolgen. Die Coloskopie dient zum Ausschluss einer Zweiterkrankung des Dickdarmes (in circa 10 Prozent Karzinom), was natürlich für eine Operation wesentliche Bedeutung hat. Bei chronisch rezidivierendem Verlauf ist die Coloskopie Standard.

Therapiemöglichkeiten

Ausgenommen in einer Notfallsituation (wie oben beschrieben) ist die Therapie zunächst konservativ mit Nahrungskarenz, Infusionen und Antibiotika. Versagt die konservative Therapie, muss operiert werden.

Das gleiche gilt für die freie Perforation, hier muss sofort operiert werden. Bei gedeckter Perforation ist in der Regel ebenfalls die Operation angezeigt, da im Besonderen bei jungen Männern eine sehr hohe Rezidivgefahr besteht – trotz primär guten Ansprechens auf die konservative Therapie.

Nach einigen Berichten in der Literatur empfiehlt sich daher die sofortige Sanierung des Krankheitsherdes, d. h. die Sigmaresektion. Mit diesem modernen Konzept wird dem Patienten ein zweiter Krankenhausaufenthalt erspart und damit entsprechende Risiken und Kosten. Nur wenn dem Patienten die rasche Operation zum Beispiel aus beruflichen Gründen ungelegen kommt, wird er zu einem späteren Zeitpunkt zur elektiven Operation (Wahloperation) einbestellt.

Ebenfalls elektiv wird bei chronisch rezidivierendem Verlauf operiert, traditionell nach einem zweiten schweren Schub, wofür nach heutigem Stand die Evidenz jedoch schwach ist. Die Operationsindikation ist nicht schematisch, sondern in einem ausführlichen Gespräch mit dem Patienten, der sorgfältigen Prüfung aller Befunde und in enger Kooperation mit Hausarzt oder Gastroenterologe zu stellen. Die operative Therapie der Wahl ist heute die laparoskopische Sigmaresektion. Diese neue revolutionierende Technik kommt flächendeckend bei weniger als 10 bis 15 Prozent der Patienten zur Anwendung. In Expertenhänden (Bittner R. / Ulrich M.: Praxis(Bern 1994) 2007;14:237-242) ist dies jedoch bei 80 bis 90 Prozent der Betroffenen einschließlich der akuten Fälle möglich. Die laparoskopische Sigmaresektion hat nicht nur kosmetische Vorteile (4 bis 5 kleine 5 bis 10 Millimeter und eine 4 bis 6 Zentimeter große Incisionen im Vergleich zu einem 20 bis 40 Zentimeter langem Schnitt), sondern ist auch mit geringeren Schmerzen und einem kürzerem Krankenhausaufenthalt verbunden (EBM Ia,Empfehlung A).

Bei komplikationslosem Verlauf unter Anwendung moderner perioperativer Managementkonzepte (Fast Track) sind die Patienten bereits 3 bis 5 Tage nach der Operation voll mobilisiert, in der Nahrungsaufnahme aufgebaut und entlassungsfähig. Die beste Indikation zum laparoskopischen Eingriff ist die elektive Operation, in der Notfallsituation sind nicht selten der Bauchschnitt und gelegentlich auch die Anlage eines künstlichen Darmausganges (Anus praeter) notwendig. Um einen komplizierten und für den Patienten auch lebensgefährlichen Verlauf möglichst zu vermeiden, ist daher die rechtzeitige Diagnose der Divertikulitis mit adäquater Therapie von wesentlicher Bedeutung.

Autor:
Dr. med. Matthias C. Raggi, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, AGAPLESION BETHESDA KRANKENHAUS STUTTGART

Quelle:
http://www.bethesda-stuttgart.de/fileadmin/BKH_Stuttgart/PDF/OPERATIONEN/AGAPLESION_STUTTGART_OP_Divertikelerkrankung_Dickdarm.pdf

Abbildung 1 Darm

Abbildung 2 Divertikel